Betonwerk Hirschau

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Das Betonwerk Hirschau war ein Unternehmen aus Hirschau, das unter verschiedenen Firmierungen von 1923 bis 2018 bestand.

Geschichte

Am 5. Oktober 1923 legte ein Vertreter der Amberger Kaolinwerke dem Hirschauer Magistrat den Plan für eine Beton-Fertigungshalle vor. Er bezahlte dafür Gebühren in Höhe von zwei Billionen und drei Milliarden Mark. Das entsprach damals etwa einem halben Dollar. Sofort errichtete man eine provisorische Fertigungshalle, ehe am 29. Oktober der Bau der Haupthalle begann. Unter Leitung von Ingenieur Richard Bachmann aus Amberg entstand die erste Beton-Produktionsstätte. Nach der Fertigstellung übernahm Bachmann im Februar 1924 die Betriebsleitung. Den Standort an der Bundesstraße 14 östlich der Amberger Kaolinwerke hatte man gewählt, weil die Amberger Kaolinwerke Quarzsand abbauten, der sich zur Herstellung qualitativ hochwertiger Betonteile eignete. Die Eisenbahn-, Kanal- und Tiefbau AG aus München führte vorwiegend Bauten für die Eisenbahnverwaltung aus.

Am 1. März 1924 begann die Produktion in der winterfesten, beheizbaren Halle. Das Unternehmen stellte vorwiegend Betonwaren für den Eisenbahnbau sowie für die Post und die Energieversorgung her. Am 1. Juli 1924 wurde die Firma von der Süddeutschen Tiefbaugesellschaft Polensky & Zöllner übernommen, die das Fertigbetonprogramm aber beibehielt. Reichsbahn und Reichspost blieben Hauptabnehmer, die Kunden kamen aus ganz Deutschland. Der Aufwärtsentwicklung setzte der Zweite Weltkrieg ein jähes Ende. Die Produktion musste zum Teil auf kriegswichtige Artikel umgestellt werden. Die Währungsreform 1948 brachte die wirtschaftliche Wende. Die Fertigung wurde wieder auf den alten Abnehmerkreis Bahn, Post und Energieversorgung umgestellt.

Im April 1953 verkaufte die Firma Polensky & Zöllner den Betrieb an Ingenieur Odo Stoellger, der in dem Werk seit 1950 als Betriebsleiter tätig war. Mit einem weiteren Teilhaber gründete er die Firma Betonwerk Hirschau, Stoellger & Co. Mit neuen Artikeln und neuem Absatzgebiet versuchte das Unternehmen, einen Ausgleich für die verlorenen Absatzgebiete in Sachsen und Schlesien zu finden. Am 1. Juli 1957 wurde Stoellger alleiniger Firmeninhaber. 1969 folgte der nächste Expansionsschritt: 19.000 Quadratmeter Grund wurden gekauft. Die 5000 Quadratmeter große Halle erhielt eine vollautomatische Betonaufbereitungsanlage.

Stoellger kannte die Probleme im Zusammenhang mit dem Bau von Bahnstrecken. Während früher für jedes Kabel ein Graben ausgehoben oder ein Schacht für die Kabelverteilung gemauert werden musste, setzte er auf vorgefertigte Betonbauteile. Er entwickelte Produkt für Produkt in Abstimmung mit dem Bundesbahn-Zentralamt. Die Grundstücke und Hallen boten ab Anfang der 1970er-Jahre die Voraussetzungen für eine witterungsunabhängige, rationelle Serienproduktion und für individuelle Einzelfertigungen. 1973 produzierte man in Hirschau täglich 450 Tonnen Betonwaren. Seit der Übernahme durch Stoellger war der Umsatz von 100.000 Mark im Jahr 1953 auf über sieben Millionen Mark im Jahr 1973 gesteigert worden.

Während das Postgeschäft abnahm, da die Kabelkanalformsteine durch Kunststoffrohre ersetzt wurden, erweiterte sich das Bahn-Absatzgebiet auf die gesamte Bundesrepublik. Von Flensburg bis Basel und von Bad Reichenhall bis Emden lieferte das Hirschauer Betonwerk seine Erzeugnisse aus, nicht zuletzt deshalb, weil die Güter frachtfrei befördert wurden. Um der Nachfrage gerecht zu werden, holte das Unternehmen Gastarbeiter aus Jugoslawien und kaufte im Dezember 1974 ein Werk in Frickhofen bei Limburg/Lahn. Zum 1. Januar 1975 spaltete Stoellger sein Unternehmen in eine Besitz- und eine Betriebsgesellschaft auf. Die neu gegründete Betonwerk Hirschau Stoellger GmbH beschäftigte 1976 mehr als 160 Mitarbeiter. Die allermeisten kamen aus der unmittelbaren Umgebung.

Am 5. Dezember 1980 verstarb Odo Stoellger. Die Familie Stoellger-Steindl übernahm alle Geschäftsanteile, Georg Adolf Steindl die Geschäftsführung. Bei der Bahn zeigten sich in dieser Zeit erste Ansätze einer Privatisierung, was erhebliche Preisabschläge bedeutete. Die frachtfreie Beförderung kippte nach und nach. Der Pachtvertrag mit den Amberger Kaolinwerken für das Grundstück mit den Gebäuden aus dem Jahr 1923 endete 1990. Die Firma verlagerte die dortige Produktion in neue Hallen auf eigenem Gelände.

Die Wiedervereinigung brachte für kurze Zeit einen erhöhten Bedarf an Betonbauteilen. Ab 1997 war die Produktpalette zum Großteil in den neuen Ländern aufgebaut. Während die Bahn bis dahin ihren Betonteilbedarf vorwiegend selbst gedeckt und diesen als frachtfreies Dienstgut transportiert hatte, vergab die DB die Aufträge inklusive der Materialbeschaffung nun an Baufirmen. Ein Preiskampf entbrannte. Der Transport erfolgte nun über die Straße, da das Umladen der Güter am Empfangsbahnhof auf Lkw für die Lieferung zur Baustelle entfiel. Profitables Arbeiten war nicht mehr gegeben.

Am 21. April 2004 beantragte Steindl beim Amtsgericht Amberg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Betonwerk Hirschau Stoellger GmbH. Es wurde am 1. Juli 2004 eröffnet, als Insolvenzverwalter Rechtsanwalt Hans-Peter Lehner bestellt. Das nicht angegriffene Stammkapital, ein Gewinnvortrag und Barmittel, der Auftragsbestand sowie die hervorragende, eigen- und fremdüberwachte Produktqualität waren Gründe, das Werk unter Insolvenzbedingungen fortzuführen. Annähernd 14 Jahre lang konnten die Kunden mit Produkten für den schienengebundenen Verkehr und den Bedarf der Energieversorgungsbetriebe weiter bedient werden. Nachdem fast alle Arbeitnehmer der Stammbelegschaft das Rentenalter erreicht hatten standen, wurde der Geschäftsbetrieb am 31. Januar 2018 eingestellt. Die Grundstücke und Gebäude samt Einrichtung von Besitz- wie Betriebsgesellschaft wurden an die Firma Amberger Kaolinwerke verkauft.[1]

Einzelnachweise

  1. Werner Schulz: Vor 100 Jahren gegründet, seit 5 Jahren Geschichte: Das Betonwerk Hirschau. Oberpfalz Medien GmbH, vom 1. Oktober 2023, abgerufen am 24. September 2024